Ohne eigene Sprache

Im Sommer 1986 habe ich mir als selbstverwalteter Redaktor der WochenZeitung WoZ einen dreimonatigen unbezahlten Urlaub geleistet, um ein Schreibprojekt in Angriff zu nehmen, von dem ich wusste, dass ich ihm nicht gewachsen sein würde.

Ich nahm mir vor, als Autodidakt meine Poetik zu schreiben, weil ich, wie ich in einer Vorbemerkung selbstbewusst festhielt, der Meinung war, «poesie müsse nicht in jedem fall eine harmlose form von denkschwäche sein, sondern wäre eigentlich eine form von unsystematischer philosophie. poesie fragt (wenn sie diesen namen verdient), wie kein anderer sprachzugang praxisnah und betroffen nach dem zustand des materials: ist meine welt in der vorliegenden sprache möglich? gibt es möglichkeiten, der vorliegenden sprache meine welt abzulisten? wem gehört die sprache? und wenn sie nicht mir gehören kann: wie kann ich mit ‘ihrer’ sprache reden, ohne immer wieder lediglich ‘ihre’ welt fortzuschreiben? etc.»

Die entstandene Textsammlung trägt den Titel «Ohne eigene Sprache» und ist Fragment geblieben. Hier wird sie samt den Begleitnotizen, die in jenen Wochen entstanden sind, als liegengebliebenes Work in progress erstveröffentlicht. Sicher hatten diese unsystematischen theoretischen Versuche Einfluss auf den Gedichtzyklus «1986», den vierten und abschliessenden Teil des «Konvoluts». Nicht ahnen konnte ich damals, dass mich die intuitiv gefundene Darstellungsform mit Behauptungen, Widerreden und Nachträgen, die hier sporadisch auftaucht, schliesslich zur Idee des «Stückwerks» führen würde. (03.08.2018)

 

«Ohne eigene Sprache»