Herbstoffensive angekündigt

Letzten Montag fand auf der Berner Grossen Schanze seit längerer Zeit eine VV mit über hundert Bewegten statt. Im zweiten Teil des Abends machten sie einen Spaziergang dorthin, wo sie im Herbst endgültig zurückzukehren gedenken: zur Reithalle.

fl. Natürlich sprach man über die elf willkürlichen Festnahmen auf dem Bundesplatz am gleichen Nachmittag, während des Carstens-Empfangs[1]. Und man sprach über Heroin, das in diesem Sommer so viele Leute aus der Szene eingeholt hat. Und man sprach vom AJZ, warum man es wieder haben müsse, dass die Reithalle für die Bewegung zwar nicht das Endziel sei, aber eine notwendige Voraussetzung usw.

Gegen halb zehn zogen dann über fünfzig VV-Besucher/innen zur Reithalle hinunter und begannen die Abschrankungen, die zusammen mit Stacheldraht, Wachhunden, Tränengas, Grenadieren und Gummigeschossen seit vier Monaten das Reitschul-Areal vor unbefugtem Zutritt schützen sollen, auf die Strasse zu tragen und Barrikaden zu bauen.

Es wäre ein Leichtes gewesen, an jenem Abend in die Reithalle hineinzukommen, meinte ein Bewegler. Wohl wegen des Carstens-Besuchs sei die Polizei völlig desorganisiert gewesen.

Als dann von der Reithalle her doch die erste Petarde krachte, zogen die Bewegler weiter, schoben bei der Schützenmatte zwei Bauwagen auf die Strasse, zeigten beim Bollwerk und in der Genfergasse einigen Fensterscheiben den Meister und als auch vom Waisenhaus her erste Petarden flogen, verzogen sich die Unzufriedenen zufrieden in den Gassen und schritten zum Schlummertrunk: Sie hatten sich bei der Stadt zurückgemeldet.

[1] Gemeint ist der westdeutsche Bundespräsident Karl Carstens (1914-1992), der der Schweiz am 16. August 1982 einen Staatsbesuch abgestattet hat.

Bis eine neue Generation von Bewegten das Reitschulareal zurückerobert hat, dauerte es allerdings noch bis zum 21. November 1987. Nach der polizeilichen Räumung der Hüttendorfsiedlung Zaffaraya am 17. November wurde die Reithalle von einer 10000köpfigen Protestdemonstration besetzt. Seither gibt es die Reitschule.

Aktuell

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Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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