Bumsfallera

Im Auftrag des feldgrauen Kanonenadels veröffentlichte das Eidgenössische Militärdepartement (EMD) letzthin das «Kleine Brevier der Umgangsformen», in dem allen Gossen- und Bauernlümmeln, die es trotzdem irgendwie zu ihrem steifen Hut gebracht haben, beigebracht wird, wie sie einerseits in kanonenadeliger Gesellschaft unter steifem Obgenanntem zu grüssen, sich vorzustellen und zu tafeln haben, andererseits – schamvoll als Puzzlespiel in den Zwischentiteln versteckt – was mit dem Steifen zu tun sei, wenn obgenannter wegen zunehmender Hitze bereits Ordnungsgemäss weggelegt worden ist.

Geneigter Leser, entschuldige untertänigst, dass es mich, obschon des Rezensenten Brot doch recht eigentlich ein trockenes zu sein hat, in der Beurteilung des vorliegenden Opusses nicht auf dem harten Stuhl elender skribentischer Mühsal festhielt, sondern dass mich vielmehr – in redlicher Lektüre vertieft – unverhofft der Musenkuss heroischer Poesie derart streifte, dass mir ein kongeniales Meisterwerk aus meiner Feder spritzte, ehe ich es verhindern konnte. In aller Bescheidenheit lege ich deshalb diese, statt eines ordnungsgemäss prosaischen Beschriebs, dem gestrengen Urteil des geneigten Lesers vor. (Als Anleitung: Grossgeschrieben findest Du sämtliche Zwischentitel der Vorlage, Kursives bezeichnet sonstige Zitate):

KLEINES BREVIER DER UMGANGSFORMEN

dem Stab der Gruppe Ausbildung in
poetischer Dankbarkeit zugeeignet

Wenn Sie: Of-, Fw-, Four-Schüler
Instruktor, KADER zwischen IHRES
GLEICHEN und FALLENDEN MÄDCHEN
im RESTAURANT nach DEM EINKAUFSBUMMEL
          (tragen Sie in Uniform besonders
          keine Papiertüten und
          Plastiktaschen!)

unter BLONDINEN und BRÜNETTEN
IM BLAUEn DUNST DIE GROSSE
UNBEKANNTE treffen

spendieren Sie den HERREN, KUMPELS
und AUSSENSEITERn einen CHÂTEAU
MOUTON ROTHSCHILD JAHRGANG 1924
          (wenn es […] Wein sein sollte,
          dann wenigstens der richtige)

bevor Sie sich am DAMENHÄNDCHEN
von den ZIVILISTEN verabschieden

TIP FÜR DIE HEISSHUNGRIGEN:
vergessen Sie bei ihr zuhause
STOPPELBART UND BÜGELFALTEN:
werfen Sie die Kleider von sich:
AUSLEGEORDNUNG EINMAL ANDERS
          (in öffentlichen Lokalen gilt
          es als unfein, den Waffen
          rock auszuziehen.)

Während Sie auf den RICHTIGEN
ZEITPUNKT warten: fragen Sie sich:
LINKS / RECHTS / MITTE? FÜR EINMAL
KEIN POLITIKUM!
danach:
AUF UND NIEDER, IMMER WIEDER
AUF UND NIEDER, IMMER WIEDER
AUF UND NIEDER, IMMER WIEDER

Strengen Sie sich an.
          (Wer möchte sich Willenlosigkeit
          schon nachsagen lassen?)

Sagen Sie sich: LADIES FIRST?
FÜR EINMAL NICHT! sollte lady
doch first sein, geht’s für Sie
AUF BRECHEN UND SCHIEBEN
(Scham: 10 Punkte, Brüste 9 Punkte
kommt’s? Ja? aa? aaah!)

Danach nehmen Sie Haltung an
und sagen Sie bescheiden:
«ENTSCHULDIGEN SIE DIE VERSPÄTUNG».
Bevor Sie sich verabschieden,
flüstern Sie ihr ins Ohr:
DISKRETION ÜBER ALLES!

Und nun: AUF IHR WOHL!

Des Rezensenten Nachsatz:
Die EMD-Broschüre trägt übrigens den Titel: EINMALEINS DES GUTEN TONS. C’est le ton, qui fait la musique; oder: An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen.

Von dieser EMD-Publikation hat sich im Netz kaum eine Spur erhalten – ausser hier

Aktuell

Zum Projekt

 

Die Website «Textwerkstatt Fredi Lerch» versammelt journalistische, publizistische und literarische Arbeiten aus der Zeit zwischen 1972 und 2022, ist abgeschlossen und wurde deshalb am 15. 1. 2024 zum zeitgeschichtlichen Dokument eingefroren.

Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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