Mein Schreiben, ihre Kinder – noch vorm Kaffee
Versickert das Gespräch. Als der Kellner geht,
Irrt haltlos unser Blick vorbei am
Ältestbekannten Gesicht des andern.
Warn wir uns nicht für Jahre und Jahre treu,
Verschwiegen, zeichenlos, eine Schulzeit lang?
Und nur die seltne Röte auf den
Wangen verriet uns dem Spott der andern?
Die Träume damals: heimlichstes Ritual.
Die kaum behaarte Scham, meine Glut im Bauch.
Nun rühr ich im Kaffee, bin plötzlich
Peinlich berührt, greife nach dem Zucker.
Was sagbar ist – ihr Mann, meine Zeitungswelt –
Bleibt fremd. Vertraut jedoch ist der dunkle Blick,
Auch jetzt, nach dreissig Jahrn. Wir sitzen
Sprachlos verbunden im Längstvergessnen
Und lächeln. War es so? Eine Kinderschar,
Die Mittagssonne, Frühling, Mai sechzig wohl,
Die ersten Kindergartenwochen,
Heimweg. Wir spielten das Spiel der Hähne.
Wer einbricht, sei ein Schwächling, war ausgemacht.
Mit steifen Armen stemmte ich mich empor
Auf Schultern neuer Spielgefährten.
Andere prüften so meine Stärke.
Wir warn schon an der Langetenbrücke als
Ich hinter dich, die Fremde, getreten bin.
Als Hahn besprang ich dich von hinten,
Wortlos und wie es die Regel wollte.
Und wie’s das Spiel gebot, unterzogst du dich:
Dein warmer Rücken hielt meinen Hüften stand.
Die Kinder riefen: «Sie ist stark!» und
Vorsichtig glitt ich von deinen Schultern,
Zog langsam meine Hände zurück, verblüfft,
Erschrocken, staunend: Warm wie das Sonnenlicht
War deine Haut! Ich wandte mich und
rannte mit brennender Seele heimzu.
War’s so? Nun spricht sie sternkundig über uns,
Notiert sich Daten, will mir mein Horoskop
Erstelln und das Geheimnis lüften,
Sternfern verwandt durch die Welt zu gehen.
Sie lacht, als wir zum Bahnhof hinübergehn:
Sie liebt die Sternensprache trotz meines Spotts.
Dann stehn wir, reichen uns die Hand und
Wünschen uns Glück für die weitre Zukunft.
[22.1.-2.2.1996]