Ein Dichter spricht, weil’s zum Geschäft gehört,
vom Wesen seiner Kunst vor Publikum.
Er tut’s professionell und sehr gelehrt.
Nur solches Reden macht, wer zuhört, stumm.
Nebst ziemlich distinguiertem Drumherum.
Der Dichter räuspert sich bedeutungsvoll,
blickt träumend, ob er wohl beginnen soll,
schöpft leis zerquälten Atem, und sodann
hebt leise nuschelnd er zu reden an:
Poetologisch auf dem neusten Stand
und dadurch akademisch relevant
zerfasert er subtil Bedeutungsstränge
vorm Hintergrund formal gesetzter Zwänge;
mit Übersicht des Pudels Kern berührend,
leichthin verwerfend und kanonisierend
bewertet er den Einzelfall ästhetisch,
analysiert erkenntnistheoretisch,
zieht er die materialen Konsequenzen,
gruppiert sie souverän zu Stiltendenzen,
trennt Avantgarde, die er selber sei,
vom industriell geschöpften Einheitsbrei.
Man fühlt ergriffen, was den Dichter trennt
von allen andern, die man auch noch kennt.
Und wie er sich erregt die Haare rauft,
glaubt man der Marke, die sich selbst verkauft.
Mitten in dem Auditorium,
ein blinder Klotz in diesem Geistestosen,
versunken unterm hohen Podium,
blick ich gebannt auf meine schwarzen Hosen:
Sieh an, sieh an: ein heller Mosen!
(4.-6.6.; 4.7.2010; 26.4.2018)