Der ENSI-Segen für das AKW der BKW

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Seit dem Super-GAU am 11. März 2011 in Fukushima ist klar: Die typenidentische Anlage des AKW Mühleberg muss nachgerüstet werden. Seither gehen zur Frage, welche Nachrüstungen wirklich nötig seien, zwischen der BKW und dem Eidgenössischen Nuklearinspektorat (ENSI) mit B-Post Papiere hin und her. Mit geschäftigem Nichtstun hat man unterdessen knapp vier Mühleberg-Betriebsjahre ausgesessen, ohne dass ein substantielles Nachrüstungsprojekt realisiert worden wäre.

Heute hat das ENSI seinen Bericht «Forderungen des ENSI für den Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Mühleberg bis zur endgültigen Ausserbetriebnahme im Jahr 2019» veröffentlicht. Was die achtzehn Forderungen wert sind, die für diesen Weiterbetrieb aufgestellt werden, ersieht man aus der benötigten Investitionssumme, die die BKW-Sprecherin Murielle Clerc heute Mittag im «Rendez-vous» gegenüber SRF 1 genannt hat: «15 Millionen Franken». Noch Ende 2012 war man davon ausgegangen, dass für den Betrieb bis 2019 Nachrüstungen im Betrag von weit über 170 Millionen Franken nötig sein würden (Handelszeitung, 17.12.2012).

Keine substantiellen Nachrüstungen

Die Hauptschwachpunkte der Atomanlage in Mühleberg sind:

• die immer länger werdenden Risse im Kernmantel;

• die mangelhafte Erdbebensicherheit der Anlage;

• die steigende Personalfluktuation.

Zu den ersten beiden Punkten nimmt der heutige ENSI-Bericht Stellung und fordert angesichts der kurzen Restlaufzeit keine substantiellen Nachrüstungen:

• Der rissige Kernmantel des AKW gilt für das ENSI auch ohne neue Zuganker als stabil.

• Die Fassung von Grundwasser der Saane für eine aarewasser-unabhängige Notkühlung wird fallengelassen zugunsten einer Billiglösung: Neu wird der Trinkwasserverbund im Grossraum Mühleberg – eine nicht erdbebenfeste Mehrzweckanlage – angezapft. Im übrigen zählen die Experten im Katastrophenfall auf die todesmutigen Wendrohrführer der zuständigen Feuerwehrequipen.

ENSI betrügt sich selber

In ihrer Medienmitteilung weist die Gruppe Fokus Anti-Atom darauf hin, dass sich das ENSI in seiner heutigen Stellungnahme selber «betrügt»: Aufgrund der aktuellen Zahlen machen Erdbeben «als Auslöser für alle Kernschäden» 83 Prozent statt der in der ENSI-Richtlinie A06 festgeschriebenen 60 Prozent aus. Zudem, so Jürg Aerni als Präsident von Fokus Anti-Atom: «Ein grosser Teil der Sicherheitssysteme ist nach wie vor zu wenig robust gegen Erdbeben ausgelegt. Es ist ein Skandal, dass das ENSI über diese Tatsache hinweggeht.»

Auf einen weiteren Aspekt der willfährigen ENSI-Stellungnahme weist Nationalrätin Regula Rytz als Co-Präsidentin der Grünen Schweiz hin: «Der Entscheid [des ENSI, fl.] ist umso unverständlicher, weil die Befristung des AKW bis 2019 nach wie vor nur eine unverbindliche Ankündigung ist. So hat die BKW bis heute nicht die Aufhebung der unbefristeten Betriebsbewilligung beantragt. Und auch das ENSI hat bis heute nicht die definitive Abschaltung 2019 verlangt.»

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