«iPod-City»: Wo Menschen an der Arbeit verzweifeln

In der chinesischen 12-Millionen-Metropole Shenzhen gibt es eine Gegend, die heisst Longhua: ein Industriegebiet, in dem die «iPod-City» steht. Hier produzieren 300’000 Arbeiterinnen und Arbeiter im Auftrag des taiwanesischen Elektronikkonzerns Foxconn unter anderem das hippe iPhone, den trendigen iPod und coole iPad.

Diese Gerätchen sind smart, leistungsfähig und viel zu billig: Während man hier ohne sie kaum mehr leben kann, versuchen die Arbeiterinnen und Arbeiter dort, ihre Herstellung zu überleben. Seit Anfang Jahr haben sich – verzweifelt an den Arbeitsbedingungen – zehn von ihnen umgebracht. Wegen dieser Suizide machten die hiesigen Medien die Arbeitsbedingungen bei Foxconn in letzter Zeit zum Thema: Es geht um Löhne, die nicht zum Leben reichen; um quasimilitärischen Führungsstil, um Kasernierung von Wanderarbeitern, um die Überwachung ihres Privatlebens. Berichtet worden ist auch über vermehrte Streiks und Proteste in China.

DIE KAMPAGNE. Seit 2007 setzen sich die beiden kirchlichen Hilfswerke «Brot für alle» und «Fastenopfer» mit ihrer Kampagne «High Tech – No Rights?» für faire Arbeitsbedingungen in der Computerindustrie ein. Kampagnenleiterin Chantal Peyer: «Positiv ist, dass Foxconn in Shenzhen nach den Suizidfällen nun Lohnerhöhungen von rund 100 Prozent angekündigt hat – möglicherweise unter dem Druck der internationalen Medien und der chinesischen Regierung, die zunehmend Arbeiterproteste fürchtet.»

Allerdings: «Es gibt hunderte von Foxconn, in China, aber auch in Thailand, auf den Philippinen oder in Mexiko.» Diese Zulieferfirmen arbeiten für Konzerne wie Hewlett-Packard, Dell, Acer, Fujitsu Siemens oder Apple, die zusammen den schweizerischen Computermarkt zu siebzig Prozent beherrschen.

UNFAIR. Diese Konzerne betreiben ein Doppelspiel: In den Ländern, in denen sie ihre Geräte verkaufen, versprechen sie Verbesserungen zugunsten der Arbeiterschaft in Ostasien. Gegenüber den Zulieferfirmen aber halten sie Preis- und Zeitdruck so hoch wie möglich. Chantal Peyer: «Solange die Arbeiter ihre Rechte nicht kennen, solange es keine unabhängigen Personalvertretungen gibt und regierungsunabhängige Organisationen nicht in die Betriebe gelassen werden, sind die Versprechen der Konzerne nicht viel wert.»

Es empfiehlt sich deshalb, beim Kauf von Elektronik nicht unkritischer zu sein als beim Kauf von Lebensmitteln: Wenn sich Leute umbringen für Gerätchen, mit denen man hier sein Leben zu vereinfachen hofft, dann stellt sich die Frage: Ist das fair?

Aktuell

Zum Projekt

 

Die Website «Textwerkstatt Fredi Lerch» versammelt journalistische, publizistische und literarische Arbeiten aus der Zeit zwischen 1972 und 2022, ist abgeschlossen und wurde deshalb am 15. 1. 2024 zum zeitgeschichtlichen Dokument eingefroren.

Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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