Der Mensch-Maschine-Mediator

«Natürlich haben wir hier darüber diskutiert», sagt Stefan Kuhnen. «Aber machen können wir ja auf unserer Stufe nichts.» Hier, das heisst im Turm 7 des riesigen Ascom-Bürogebäudes in der Bodenweid hinter dem Bahnhof Bümpliz Süd. Und zu machen war tatsächlich nichts: Mitte Februar entliess der Ascom-Verwaltungsrat den Konzernchef Rudolf Hadorn. Dann forderte der neue Grossaktionär Ronny Pecik vom Verwaltungsratspräsidenten Juhani Anttila öffentlich Hadorns Wiedereinsetzung. Unterdessen haben sich Pecik und Anttila, wie man liest, im Hinblick auf mögliche bevorstehende «Übernahmen» zusammengerauft – Hadorn ist in der Versenkung verschwunden.

«Was ich dazu sagen will», fährt Kuhnen fort: «Hier arbeitet ein hochmotiviertes Team, das gute Arbeit leistet und darauf angewiesen ist, dass die Firma eine Umgebung bietet, die weiterhin gute Arbeit möglich macht.» Nicht nur er hoffe, dass die Firma nicht plötzlich zum Spekulationsobjekt für Finanzmächte werde: «Die Arbeitsplätze sind gut, und wir haben Projekte, die wir zu neuen Produkten weiterentwickeln wollen. Wir sehen hier eine Zukunft.»

Der Hund im Mikrowellengrill

Stefan Kuhnen arbeitet im Turm 7 in der achtköpfigen Abteilung der technischen Redaktion, die sich «Docware & Training» nennt. Diese ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Ingenieuren, die in ihrer Fachsprache über komplexe Telekommunikationsanlagen sprechen, und der Kundschaft, die die fertigen Produkte verstehen und nutzen will. Technikredaktor Kuhnen selber versteht sich deshalb als «Mensch-Maschine-Mediator». Er verfasst Handbücher für Anwenderinnen und Anwender und Servicehandbücher für jene, die für den Unterhalt der Geräte zuständig sein werden. Dazu kommt die Produktion von Ausbildungsunterlagen sowie die Kundenschulung.

Der Beruf des «Technikredaktors» wurde 1998 vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) anerkannt. Seither kann man in einer berufsbegleitenden Ausbildung von zweieinhalb Jahren ein entsprechendes Diplom. Im Berufsverband, der Tecom Schweiz, sind unterdessen ungefähr 90 diplomierte Technikredaktorinnen und -redaktoren organisiert.

«Schlechte Betriebsanleitungen», sagt Kuhnen, «führen dazu, dass Geräte nicht richtig oder nicht ganz genutzt werden können.» Tatsächlich nervt es, wenn man mit einem Zettel voller dilettantisch­ aus einer fernöstlichen Sprache übersetzter Unverständlichkeiten vor dem neuen Billigradio steht und vergeblich einen Sender zu programmieren versucht.

«Betriebsanleitungen müssen die schnelle und sichere Inbetriebnahme garantieren», sagt Kuhnen. «Die sachgerechte Anwendung muss klar vorgeschrieben und die unsachgerechte Anwendung ausgeschlossen werden. Es muss klar sein, dass man im Mikrowellengrill keine nassen Hunde trocknet.» In der Schweiz gehe man zwar nicht so weit wie in den USA, wo auf Plastiksäcke gedruckt wird, Kinder sollten diese Säcke nicht über den Kopf stülpen, weil sie sonst ersticken könnten. «Aber auch in der Schweiz muss man mit Dummköpfen rechnen.» Eine verantwortungsvolle Arbeit: Führen offensichtliche Fehler in der Betriebsanleitung zu Schäden oder Unfällen, kann für die Haftung auf den Technikredaktor zurückgegriffen werden.

Feldgrüne Berufsgeheimnisse

Vielschreiber wird man in diesem Beruf nicht: Bevor man schreibt, muss man sehr viel sehr genau wissen. «Spannend hier im Haus ist, dass ich während der Entwicklung neuer Geräte dabei bin. Ich nehme bereits an jenen Sitzungen teil, an denen die Ingenieure die ersten Baumuster diskutieren. Ich kann Fragen stellen und im Interesse des Zielpublikums Verbesserungen anregen, etwa in Bezug auf die Bedienungsfreundlichkeit oder auf die Optimierung von Menüführungen.»

Vor dem Schreiben muss zudem geklärt sein, welches Zielpublikum die Betriebsanleitung lesen wird: Sind es Ingenieure oder ist es – bei Geräten für den Heimgebrauch – ein teilweise sogar leseungewohntes Publikum? «Damit wir weder überfordern noch langweilen, müssen wir die Informationen optimal verdichten im Hinblick auf das Publikum, das das entsprechende Gerät voraussichtlich benützen wird.»

Natürlich würde einen interessieren, mit welchen Geräten sich Stefan Kuhnen als Technikredaktor denn genau zu befassen hat. Aber darüber spricht er nicht. Die Ascom besteht aus den beiden Hauptbereichen «Wireless Solutions» und «Security Solutions». Er arbeitet für die letztere, die Telekommunikationssysteme für die Sicherheit von Behörden und Industrie entwickelt. Und nicht wenige werden hier in feldgrüne Gehäuse eingebaut. Berufsgeheimnisse gibt es eben nicht nur in Anwalts- und in Arztpraxen.

 

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Der Alphornbläser

Zwischen 1978 und 1982 hat Stefan Kuhnen (* 1960) Mechaniker gelernt. Danach arbeitete er als Industrieschlosser, als Seilbahnbauer, als Versuchsmechaniker im Bereich des Perimeterschutzes sowie als Industriemonteur bzw. -schlosser in der Lebensmittel- und in der Fütterungstechnik.

1989 kam er zur Hasler AG (heute Ascom), zuerst als technischer Sachbearbeiter, dann als Montageassistent, schliesslich als Montageleiter. Seit 1996 arbeitet er nun als Technikredaktor, 2004 erwarb er das Diplom des unterdessen BBT-anerkannten Berufs.

Stefan Kuhnen ist seit dreissig Jahren Smuv- bzw. Unia-Mitglied. Er lebt mit seiner Familie in Cordast (FR) und hat als begeisterter Alphornbläser und Jodler die Volksmusikformation «…ûbere Schûffenesee» gegründet. In den ersten viereinhalb Jahren des Bestehens war er deren Manager und organisierte mehr als hundert Auftritte. Zudem arbeitet er in seiner Freizeit als «polyvalenter Heimwerker» mit eigener Werkstatt im Keller am Weiterausbau seines Hauses.

Aktuell

Zum Projekt

 

Die Website «Textwerkstatt Fredi Lerch» versammelt journalistische, publizistische und literarische Arbeiten aus der Zeit zwischen 1972 und 2022, ist abgeschlossen und wurde deshalb am 15. 1. 2024 zum zeitgeschichtlichen Dokument eingefroren.

Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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