Die Kunstachse in die Zukunft

Carola Ertle Ketterer ist als Kunstinteressierte und -sammlerin spezialisiert auf die Kunst der klassischen Moderne und der Gegenwart. Sie ist aber als Bümplizerin seit 1988 auch engagiert in der Quartierkommission Bümpliz-Bethlehem. Darum ist sie seit 2006 die logische Präsidentin der Steuergruppe eines Projekts, das den Namen «Kunstachse» trägt.

Kunstachse? In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts musste Bümpliz sehr schnell eine grosse Nachfrage nach günstigen Wohnungen befriedigen. Fachleute reden heute von einer polyzentralen Siedlungsentwicklung in dieser Zeit mit flachen Gartensiedlungen und später vertikalen Grossüberbauungen. Für den Laien heisst das ungefähr, dass sich Bümpliz damals ziemlich chaotisch vom Dorf zur Vorstadt entwickelt hat. Die öffentlichen Räume sind wenig gestaltet, die einzelnen Strassenzüge haben kaum ablesbare Strukturen – auch Einheimische, hört man, können sich in Bümpliz verlaufen. Einzig der Stadtbach bildet von Südwesten nach Nordosten eine Orientierungsachse – zuverlässig ist sie allerdings nur dort, wo der Bach oberirdisch fliesst.

Hier setzt das Projekt Kunstachse – eine Initiative der «Stiftung für Bümpliz/Bethlehem/Bottigen/Riedbach» – an: Es will den Stadtbach kreuzend die Nord-Süd-Verbindung vom Bethlehemacker bis zum Südbahnhof durch bauliche Massnahmen und Kunstinterventionen erkennbar und erlebbar machen. «Wobei», wie Carola Ertle Ketterer sagt, «Kunst nicht nur am Bau und als Verschönerung, sondern als Teil der Fusswegverbindung und damit nachhaltig als Bestandteil der Aufwertung des Stadtteils stattfinden soll.»

In einem ersten Teilprojekt hat vom Spätherbst 2005 bis zum Frühling 2006 der Dozent und Künstler George Steinmann mit sechzehn Studierenden der Hochschule der Künste Bern Kunst- und Projektideen für eine solche Kunstachse entwickelt. An der Vernissage zur Präsentierung dieser Ideen sagte die Berner Gemeinderätin Edith Olibet Ende April 2006, man merke den Arbeiten an, dass der Stadtteil VI «eine Fundgrube» sei «für kreative Ideen, denn er ist eine Zone, wo nicht nur viele unterschiedliche Kulturen, sondern auch Natur und Stadt unmittelbar aufeinander treffen».

Seither treibt die Steuergruppe des Projekts Kunstachse so genannte «Teilprojekte» voran, zurzeit insbesondere zwei:

• Für das «Tram Bern West», das ab 2010 die städtischen Tramlinien bis Bümpliz und Brünnen verlängern wird, muss das Werk «Kunstgarten» von George Steinmann geopfert werden. Die Kunstachse-Steuergruppe wendete dieses Dilemma in eine Frage: Wird Kunst im öffentlichen Raum eigentlich für die Ewigkeit errichtet oder müsste sie – zum Beispiel vor dem Hintergrund städtebaulicher Entwicklung – nicht von Zeit zu Zeit überdacht werden? Für diese Frage hat die Steuergruppe Peter Schneemann, Professor für Gegenwartskunst an der Universität Bern, interessiert, und dieser hat ein Proseminar ausgeschrieben mit dem Titel: «Kunst für Bümpliz – Bedingungen, Projekte und Probleme von Kunst im öffentlichem Raum». Unterdessen arbeitet ein Team von Studenten und Studentinnen an der Inventarisierung aller bestehenden Kunstwerke von Bümpliz. «Dabei orientieren wir uns», hat Schneemann in der Ausschreibung des Proseminars vorgegeben, «am aktuellen Diskurs zur Kunst im öffentlichen Raum und gliedern die Arbeiten entlang von Begrifflichkeiten wie Ortsspezifität, Kontext und Partizipation». Die Inventarisierung ist im Gang.

• Seit Oktober 2007 steht vor dem Nordbahnhof in Bümpliz der Kunst- und Kulturraum «Cabane B», in dem in den nächsten Jahren Ausstellungen, Konzerte, Videoinstallationen, Performances, Lesungen und Diskussionsrunden stattfinden werden. Die «Cabane B» ist ein Werk des Pariser Architekten Jean Nouvel und war während der Expo 02 Teil des Beitrags der Landeskirchen zur Landesausstellung. Dieser Beitrag trug den Titel «Un ange passe» und bestand aus insgesamt sieben metallenen Ausstellungsräumen, die entlang des Seewegs zwischen Murten und Muntelier aufgestellt waren. Sie trugen Titel wie «Creation», «Wort» oder «Mystère». Die «Cabane B» beherbergte «Relations», den «Himmel des Austauschs und der Beziehungen». Nach der Ausstellung wurde sie von der Engel AG in Biel gekauft, diese machte sie dem Berner Stadtpräsidenten Alexander Tschäppät zum Geschenk, und er hat sie der Kunstachse als «Ort des Austauschs und der Beziehungen» zur Verfügung gestellt.

Die Kunstachse soll innert zehn Jahren ihre strukturierende Gestalt erhalten – unter anderem dank den Arbeiten, die aus einem weiteren Teilprojekt, dem Ideenwettbewerb, entstehen werden, für den zur Zeit die Sponsorensuche läuft. Carola Ertle Ketterers Vision ist klar: «Alle Interventionen sollen eine klare Linie und einen klaren Stil haben und von einer Bedeutung sein, dass man die Kunstachse gesehen haben muss, wenn man nach Bümpliz kommt.»

Der Beitrag erschien in: Daniel Gaberell [Hrsg.]: Bern West. 50 Jahre Hochhausleben, Bern (herausgeber.ch) 2007, 48-49.

Aktuell

Zum Projekt

 

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Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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