Sondern das Schwert

Kulturboykott statt Kulturzensur

Das Projekt des Knonauer Komponisten Fredy Riesen heisst «...sondern das Schwert»: eine multimediale Komposition für eine grosse Kirche, Orchester, Chor, Video, Spielszenen und 43 Lautsprechersysteme. Thema ist die Schweiz: ihr Image als humanes Land und die Wirklichkeit von Waffenexport, Asylpolitik und Armee. Der ökumenischen Arbeitsgruppe der Kirchen im Kanton Zürich ist dieses Projekt für die 700-Jahr-Feier vorgeschlagen worden. Darüberhinaus sollte es in Zug im Rahmen von «GFS 1990» zur Aufführung kommen.

An einer Sitzung der ökumenischen Arbeitsgruppe in Zürich hat Riesen sein Projekt Anfang Jahr vorgestellt; auch einige der O-Ton-Dokumente, die in die Komposition eingebaut sind, eine Nachrichtenmeldung über eine Schwerwasseranlage der Sulzer AG zum Beispiel, Statements von Politikern und Wirtschaftsführern, dazwischen Max Frischs Stimme, es gehe nicht darum, den Behörden etwas zuleide zu tun, sondern darum, Menschenleben zu retten und aus der Lüge herauszukommen, die Schweiz sei ein humanes Land. Die Reaktion: Riesen wird als «Volksverhetzer» tituliert und gefragt, explizit wird auf die Verfilzung der kirchlichen Gremien mit Industrie und Wirtschaft, die gewichtigen Kirchensteuerzahlerinnen, hingewiesen. Das Projekt wird abgesagt. Abgesagt  ist mittlerweile auch die  Aufführung in der katholischen St. Michael-Kirche in Zug: Sie steht zwar für politische und militärische Vereidigungen jederzeit offen, zur Realisierung von Riesens Projekt darf sie jedoch nicht den engagierteren reformierten Brüdern und Schwestern vermietet werden.

Unterdessen versucht Bundesrat Flavio Cotti, KünstlerInnen und Intellektuelle für die 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft  zu gängeln:«Die Schweiz ist auf Sie angewiesen [...], denn verschiedene Meinungen sind ja eine Voraussetzung für eine lebendige Demokratie.» (TA, 4.4.1990). Fredy Riesen kommentiert: «Offenbar sind nur Projekte gefragt, die die Geranienkisten an ihrem Ort lassen. Ich wollte nicht boykottieren, ich wurde boykottiert. Jetzt muss ich die 700-Jahr-Feier boykottieren.»

Geranienkultur zur Jubelfeier? Oder kritische Kultur, die von Fall zu Fall zensuriert wird? Oder Kulturboykott? –  In dieser Woche wird der «Kulturboykott 700» lanciert.

Aktuell

Zum Projekt

 

Die Website «Textwerkstatt Fredi Lerch» versammelt journalistische, publizistische und literarische Arbeiten aus der Zeit zwischen 1972 und 2022, ist abgeschlossen und wurde deshalb am 15. 1. 2024 zum zeitgeschichtlichen Dokument eingefroren.

Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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