Steeve Humbert, Edelmetallprüfer

Ein siebenstöckiges Gebäude des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD) im Berner Monbijou-Quartier: Das ist der Sitz der Eidgenössischen Zollverwaltung, in der die Oberzolldirektion, das Kommando des Grenzwachtkorps, die Sektion chemisch-technische Kontrolle des Zolls und das Zentralamts für Edelmetallkontrolle untergebracht sind. In diesem Zentralamt arbeitet Steeve Humbert als Laborleiter. Führt er durchs Haus, ist alles so, wie man es sich vorstellt: lange Gänge und endlose Türreihen. Doch dann öffnet er im Untergeschoss eine Türe und plötzlich steht man, mitten in der Bundesverwaltung, im Atelier eines Feinmechanikers: «Hier werden unsere amtlichen Punzen hergestellt.»

Punzen? Humbert erklärt: Die nationale Punze zum Beispiel zeigt einen kleinen, auf die Spitze eines Stahlstifts geprägten Bernhardinerkopf. Das ist der Stempel. Mit solchen Stempeln wird in den Aussenstellen der Edelmetallkontrolle in Genf, Chiasso, Basel, Biel, Le Noirmont, Zürich und im kantonalen Kontrollamt La Chaux-de-Fonds gearbeitet: Edelmetallware, deren angegebener Feingehalt mit dem Resultat der amtlichen Analyse übereinstimmt, wird mit dem Stahlstempel «punziert», das heisst, der Bernhardinerkopf wird in das Edelmetall eingeprägt. Dazu kommt jeweils auf Verlangen noch eine zweite, die «gemeinsame Punze», die alle Mitgliedstaaten der Wiener Konvention von 1972 verwenden, um innerhalb dieser Staaten den Handel zu vereinfachen.

Für Uhrengehäuse aus Gold, Silber, Platin und Palladium, die auf den inländischen Markt gebracht werden sollen, ist die amtliche Kontrolle und Punzierung obligatorisch – für Schmuck ist letztere fakultativ. 2011 hat die Schweizerische Edelmetallkontrolle rund 1,7 Millionen Gegenstände mechanisch punziert (oder neuerdings mit Laser graviert).

Für Qualität und gegen Betrug

Die schweizerische Industrie, sagt Steeve Humbert, arbeite zumeist eng mit den Kontrollstellen zusammen. Für sie sei die amtliche Überprüfung und Punzierung ihrer Ware ein international geschätztes Gütesiegel: «Die Schweizerische Edelmetallkontrolle hat einen guten Ruf, und unsere Punze ist deshalb auch im Ausland eine Referenz.»

Aber klar sei die Funktion der Edelmetallkontrolle eine doppelte: Damit das Gütesiegel der schweizerischen Marktsicherheit gehalten werden könne, müsse jeder Betrug wirkungsvoll bekämpft werden. «Es gibt gefälschte Punzen; es werden Edelmetalluhren importiert, die aus unedlen Metallen bestehen; es gibt Legierungen, denen Lieferanten bewusst zum Beispiel 748 statt wie angegeben 750 Promille Gold beigeben – was pro Kilo zwei Gramm Gold im Wert von rund 100 Franken spart.» Auf Unregelmässigkeiten stosse man vor allem bei Inspektionen, zum Beispiel in Bijouterien, bei Expertisen für die Polizei oder bei Kontrollen von Importware am Zoll – 2011 seien dort in 9600 Sendungen 4400 Uhren- und 7200 Schmuckfälschungen eingezogen worden. Fälschungen zu finden und zu beschlagnahmen, sei ein wichtiger Aspekt der Arbeit. «Im Bereich des Edelmetalls fungieren wir als Wirtschaftspolizei.»

Bei der Produktion der schweizerischen Industrie werde die Metalllegierung häufig bereits von der Scheideanstalt, die sie herstellt, analysiert und zertifiziert: «Solche Zertifikate anerkennen wir, wenn auch nur unter gewissen Bedingungen.» Liegt kein Zertifikat vor, so ist die Edelmetallkontrolle berechtigt, eine «zerstörende Analyse» vorzunehmen: «Wir entnehmen dann zur Bestimmung des genauen Gehalts der Legierung ein Stück von etwa 125 bis 250 Milligramm und zerlegen es in verschiedenen Arbeitsgängen in seine einzelnen Feinmetalle.»

Gold- und Silberanalysen werden grundsätzlich in den regionalen Büros der Edelmetallkontrolle durchgeführt. Das Zentralamt ist das Kompetenzzentrum für Platin- und Palladiumbestimmungen: «Diese beiden Metalle sind seltener, pro Jahr gibt es bloss etwa 100 bis 200 Analysen, und das Prozedere ist aufwendig. Dafür die Infrastruktur in allen Kontrollstellen zu unterhalten, wäre nicht effizient und würde zu teuer kommen.»

Humberts Weg ins Zentralamt

Steeve Humbert (* 1982) wuchs im Kanton Fribourg auf, wo er auch heute noch wohnt. Zu seinem Beruf ist er auf einem Umweg gekommen. Nach der naturwissenschaftlich orientierten C-Matura ging er an die Universität Fribourg, um Volkswirtschaft zu studieren. Bereits nach einem Jahr brach er ab, weil ihm «ein wenig die Wissenschaft gefehlt» habe, wie er sagt. So fing er an, sich für die Ausbildung zum Edelmetallprüfer zu interessieren, die man entweder in einer Scheideanstalt der Privatwirtschaft oder bei der Edelmetallkontrolle des Bundes machen kann. Er wählt den letzteren Weg. Im Januar 2003 beginnt er als «Aspirant» beim Genfer Kontrollamt und absolviert die Ausbildung, in der es neben technischen Fragen vor allem um die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Berufs geht. Nach dreijähriger Ausbildung ist er eidgenössisch diplomierter, beeidigter Edelmetallprüfer.

Noch als Aspirant in Genf stellt er fest, dass die Edelmetallkontrolle des Bundes noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen ist: Auf der Basis der Excel-Software und der Programmiersprache «Visual Basic» beginnt er als Autodidakt, ein elektronisches «Operationen-Register» zu entwickeln, das die bisher auf Papier notierten Daten der Edelmetallkontrollen standardisiert und elektronisch vernetzt darstellen und archivieren kann. «Es war nötig, selber die Initiative zu ergreifen, weil innerhalb der Zollverwaltung mit ihren damals rund 4800 Angestellten die Edelmetallkontrolle nur etwa sechzig Personen ausmacht. Hier gibt es deshalb stets wichtigere Projekte als unsere, und Software für unsere Tätigkeit finden wir nicht auf dem Markt.»

Noch während der Ausbildung bringt er den Prototyp seines Projekts im Büro in Genf zum Laufen. Als er die Möglichkeit erhält, das Projekt im Zentralamt vorzustellen, kann er die Zuständigen überzeugen, dass sein Register allen Kontrollstellen angeboten werden sollte. Auf Juni 2007 wird er vom Zentralamt angestellt mit dem ersten Ziel, die regionalen Kontrollstellen von der Überlegenheit seiner einheitlichen elektronischen Lösung zu überzeugen: «Das war nicht immer einfach, aber mit der Unterstützung aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben wir es geschafft», sagt er. Heute arbeiten alle Kontrollstellen mit dem so genannten «Operationen-Register»: «Jährlich werden nun rund 40’000 Operationen verarbeitet. Die heutige Produktivität, die kürzer werdende Reaktionszeit bei Anfragen, der nötige schnelle Informationsaustausch zwischen den Kontrollstellen bei der Betrugsbekämpfung – all das wäre ohne eine elektronische Lösung nicht mehr zu leisten.»

Nebenbei hat Humbert bei dieser Arbeit die regionalen Büros kennengelernt und ist froh darum: «Jedes regionale Büro hat seinen eigenen Charakter. In Genf zum Beispiel steht die Uhrenindustrie im Zentrum, in Chiasso dagegen Kontrolle und Punzierung von Schmuck, der aus Italien kommt, dazu kommen dort Aufgaben im Zusammenhang mit den verschiedenen Scheideanstalten, die es im Kanton Tessin gibt.»

Seit Januar 2011 ist Steeve Humbert im Zentralamt Laborleiter und stellvertretender Leiter der Qualitätssicherung. Insbesondere schätzt er, dass seine Arbeit «so abwechslungsreich und interessant» sei. Es gehe hier eben nicht nur um Platin- und Palladiumanalysen. Im Zentralamt führt man Kurse und Prüfungen für die angehenden Edelmetallprüfer und -prüferinnen durch. Hier wird die Qualität der Analysemethoden in den Labors im Land standardisiert und kontrolliert und unter anderem auch die Akkreditierung der Prüflaboratorien (ISO 17025) verwaltet. «Routine kenne ich in meinem Beruf nicht», sagt Humbert.

Die Rolle des Personalverbands

Steeve Humbert ist von schlanker und kräftiger Postur. Dass Sport vom Skifahren über Tennis bis zum Fussball zu seinen Hobbys gehört, glaubt man ihm. Aber, wenn er über seinen Beruf spricht, glaubt man ihm auch, dass die Arbeit eine seiner «Leidenschaften» ist: «Ich investiere von mir sehr viel in meinen Beruf, einfach, weil ich davon überzeugt bin, dass wir eine wichtige Arbeit machen.»

2006 hat er in Zürich einen Kollegen kennengelernt, der war Präsident der Sektion Edelmetallprüfer innerhalb des Personalverbands des Bundes (PVB): «Er hat mich begeistert, im Verband mitzumachen.» Seither besucht er wenn möglich die jährlichen Versammlungen seines kleinen Berufsstands: Schweizweit gibt es beim Bund ungefähr vierzig Edelmetallprüfer und -prüferinnen, dazu noch etwa fünfzig in der Privatwirtschaft, von denen ein Teil als Passivmitglieder der Sektion Edelmetallprüfer des PVB beigetreten ist, um in die fachliche Debatte einbezogen zu sein. Tatsächlich ist die Sektion der Ort, «wo die wichtigen Fragen für die Zukunft unseres Berufs diskutiert werden», wie Humbert sagt. Es gehe um die Frage: «Welche Strategien gibt es, damit wir den guten Ruf, den unser Beruf zur Zeit hat, behalten können?»

Der Beruf sei im Wandel: Zum Beispiel gebe es innerhalb der Bundesverwaltung die Idee, Laborleistungen departementsübergreifend zu zentralisieren. Zwar sei letzthin das Projekt, die Edelmetallkontrolle mit den Labors des Bundesamts für Metrologie zusammenzulegen, von der EFD-Vorsteherin, Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, abgelehnt worden, aber dieses Projekt sei ein Zeichen gewesen, dass der Kostendruck zunehme: «Darum müssen wir uns fragen: Wie können wir unsere Organisation effizienter machen? Es geht da um die Zahl der Labors, um die Art der Ausbildung und um die Frage, ob alle Geschäftsbereiche kostendeckend arbeiten sollen. Vielleicht müssen wir unseren Beruf ganz neu überdenken.»

Für Steeve Humbert ist der Verband deshalb nicht wegen gewerkschaftlicher Aspekte wichtig. Für ihn sind die Arbeitsbedingungen – 42-Stunden-Woche bei fünf Wochen Ferien und guten Lohnkonditionen – in Ordnung. Diese Bedingungen müsse man verteidigen, aber Verbesserungen sind für ihn nicht vordringlich. «Klar soll der Verband für das Personal schauen – aber eben auch für den Beruf. Deshalb ist es aus meiner Sicht die Rolle des PVB, insbesondere der Sektion Edelmetallprüfer, dem Personal zu garantieren, dass der Beruf weiterhin so interessant bleibt, wie er es jetzt ist.»

Abgedruckt in: Personalverband des Bundes (PVB) (Hrsg): 100 Jahre Personalverband des Bundes PVB. Geschichte und Porträts, St. Gallen (Niedermann Druck AG) 2012, S. 51-56.

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Vorderhand soll die Werkstatt in diesem Zustand zugänglich sein, längerfristig wird sie im e-helvetica-Archiv der Schweizerischen Nationalbibliothek einsehbar bleiben. Teile des Papierarchivs, das für die vorliegende Website die Grundlage bildet, sind hier archiviert und können im Lesesaal der Schweizerischen Literaturarchivs eingesehen werden.

 


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