Im Wind das Grab von Friedrich und Rosa Lerch.
Der Dorffestlärm verweht überm offnen Feld:
Musik und Kinderschreie, eine
Lautsprecherstimme. Die Wolken, niedrig
Und regendunkel, streifen den Kirchturmspitz.
Die Herkunft ist ein saubergekämmtes Dorf.
Die Gräberreihen ausgerichtet:
Ordentlich, immergrün, demokratisch.
Den Stein ziert, grobgehauen, ein Lebensbaum.
Kastanien rauschen auf. Durch den Thuja geht
Die Leere windbewegt und achtlos.
Hier wartet niemand auf Argumente.
Hier gibt es kein Gehör, kein Gedächtnis und
Kein Schweigen, nur die Stille aus Laub und Wind.
Die Scham der Armut ist aufgehoben
Unter dem Schatten des Weltvergessens.
Wie hätte ich Euch je überzeugt davon,
Dass kleiner Leute Leben nicht wertlos sei?
Dass unsere Geschichte eine
Sprache verdiene so gut wie andre?
Dass uns das Leben Grosser nicht scheren soll?
Dass die sich Hofnarrn halten wie ehedem,
Die ihnen Lobgesänge singen?
Dass wir dagegen die eignen Lieder
Erfinden sollen, weil niemand sonst sie schreibt?
Weil eigne Lieder wirken durch alle Zeit,
Noch wenn sie niemand hören würde?
Dies hätte ich Euch noch sagen wollen
Als Dank für jenen Rat, unser Eignes zu
Verschwiegen. Dadurch sah ich den Weg zuerst,
Der Reichen Taten abzubilden
Machtlosgemachten die Sprache leihend.
Zurück ins Dorf: der «Bären», der Scheibenstand.
Im Regen Jahrmarktstände, die Festwirtschaft.
Die grussgewohnten Kindheitsschemen,
Tragen verlorne Gesichter festwärts.
Im gelben Ölzeug jubelt allein das Kind
Auf einer Disney-Ente des Rösselspiels.
Der Zug fährt pünktlich hier. Ich schlendre
Langsam zum Bahnhöfchen, plötzlich fröstelnd.
[3.-12.10.1998; 11.4.2001]